Museum für Haustierkunde „Julius Kühn“

Julius Kühn

Julius Kühn
Julius Kühn
 

Kindheit und Jugend

Der spätere Landwirtschaftswissenschaftler wurde am 23. Oktober 1825 in der sächsischen Oberlausitz als ältester Sohn eines Wirtschaftsinspektors in Pulsnitz geboren.
Dort erhielt er seine Grundschulbildung. Obwohl sich seine Familie in finanziellen Schwierigkeiten befand, ermöglichte sie ihm eine Ausbildung am Polytechnikum in Dresden.

 

Erste landwirtschaftliche Praxis

Er ging 1841 in die landwirtschaftliche Praxis. Als Lehrling, Gehilfe und Gutsverwalter erwarb er sich umfassende landwirtschaftliche Kenntnisse.
Ab 1848 übernahm er als Amtmann das Gut in Groß-Krausche bei Bunzlau. Hier konnte er viele praktische Erfahrungen sammeln und studierte mit modernen Methoden wie der Mikroskopie intensiv die Krankheiten der Kulturpflanzen und veröffentlichte darüber mehrere wissenschaftliche Arbeiten zur Phytopathologie und zum Pflanzenschutz.
Er erhielt als Anerkennung den Beinamen „Mikroskopenamtmann“.

1855 immatrikulierte er sich an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Bonn-Poppelsdorf. Aus finanziellen Gründen musste er das Studium nach zwei Semestern abbrechen. Er promovierte jedoch im März 1857 an der Universität Leipzig mit der Dissertation „Über den Brand des Getreides und das Befallen des Rapses und über die Entwicklung des Maisbrandes“. Im gleichen Jahr habilitierte er sich an der Landwirtschaftlichen Akademie Proskau. Nach nur einem Semester Lehre ging er als Verwalter der niederschlesischen Güter des Grafen Egloffstein in Schwusen/Glogau zurück in die Praxis.

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Universitäre Arbeit

Sein bahnbrechendes Werk „Die Krankheiten der Kulturgewächse, ihre Ursachen und ihre Verhütung“ veröffentlichte er 1858. Große Resonanz rief auch sein 1861 veröffentlichtes Buch über die Ernährung von Rindern hervor, „Die zweckmäßigste Ernährung des Rindviehs vom wissenschaftlichen und praktischen Gesichtspunkte“. Die aktiven und erfolgreich absolvierten Lebensabschnitte haben Julius Kühn für eine akademische Lehr- und Forschungslaufbahn heranreifen lassen. Er hatte als praktischer Landwirt große Anerkennung erworben und sich gleichzeitig einen ausgezeichneten Ruf als Wissenschaftler auf verschiedenen Gebieten erarbeitet. Der einflussreiche Landwirt und Tierzüchter Hermann von Nathusius aus Hundisburg setzte sich entschieden für die Nominierung Kühn´s ein.

1862 wurde Julius Kühn zum ersten ordentlichen Professor für Landwirtschaft an der Universität Halle ernannt. Im Wintersemester 1862/63 gründete er das „Landwirtschaftliche Conservatorium“, aus dem das heutige Corps Agronomia Hallensis zu Göttingen hervorging. Damit gab er Studenten Gelegenheit, sich in der freien Rede und der öffentlichen Besprechung wissenschaftlicher und fachlicher Gegenstände zu üben.

Julius Kühn in den Sechzigerjahren
Julius Kühn in den Sechzigerjahren
 

 

1863 erhielt er die ministerielle Genehmigung zur Errichtung eines selbstständigen Instituts, das er in den folgenden vierzig Jahren zur bedeutendsten agrarwissenschaftlichen Lehr- und Forschungsstätte Deutschlands ausbaute. Beispielhaft für die Wissenschaftsdisziplin hat Julius Kühn sein Programm für das Studium der Landwirtschaft aufgebaut. Er setzte seine Idee um, „daß die Landwirthschaftslehre, unbeschadet ihrer inneren Einheit und organischen Gliederung, als angewandte Naturwissenschaft und Volkswirtschaftslehre erscheint.“ Die Zahl der Landwirtschaftsstudenten in Halle war 1890 (Wintersemester 1890/91) mit 281 deutlich höher als die der anderen preußischen Universitäten (Breslau, Göttingen, Kiel und Königsberg) und der Landwirtschaftlichen Akademie Poppelsdorf zusammen, die zur gleichen Zeit 238 Studenten hatten. Auch außerhalb Deutschlands überflügelte Halle sämtliche höheren landwirtschaftliche Lehranstalten in den Ländern Österreich-Ungarn, der Schweiz, Niederlande, Belgien, Frankreich, Dänemark und Schweden um das Doppelte.

 

Julius Kühn Ende der Siebzigerjahre
Julius Kühn Ende der Siebzigerjahre
 

Seine praktischen Versuche setzte er im Pflanzgarten und im Haustiergarten des Instituts fort. Er legte ein Versuchsfeld mit mehreren Parzellen an, zum Beispiel in der heutigen halleschen Julius-Kühn-Straße, eine Versuchsstation und Laboratorien an. Der 1878 begonnene Dauerfeldversuch „Ewiger Roggen“ wird noch heute weitergeführt. Galt es damals in den Versuchsanfängen hauptsächlich noch die Richtigkeit der von Justus von Liebig entwickelten Mineralstofftheorie in der Praxis zu beweisen, stehen heute vor allem die Langzeitwirkungen unterschiedlicher Düngung auf Pflanze, Boden und angrenzende Umweltbereiche im Mittelpunkt des Forschungsinteresses.

Kühn´s Anstrengungen zur Behebung der so genannten Rübenmüdigkeit mündeten 1889 in eine Station zur „Nematodenvertilgung“. Der Haustiergarten und eine veterinärmedizinische Abteilung komplettierten das nach seinen Vorstellungen konzipierte Institut. Dass sein privates Vermögen in den Ausbau des Instituts einfloss, war für ihn selbstverständlich.

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Julius Kühn im Hörsaal am 18. Oktober 1895
Julius Kühn im Hörsaal
am 18. Oktober 1895
 

Sein Lebenswerk - das Institut

Rufe nach Göttingen, Berlin, Hohenheim und Wien lehnte er ab. Rückschauend ist interessant, dass Julius Kühn´s Institut auch betriebswirtschaftliche Fragen behandelte, da er einen Gegensatz zwischen Wissenschaft und Praxis nicht zu erkennen vermochte. Doch nicht nur darin war Julius Kühn modern, er setzte häufig nicht nur auf seine eigene - durch mehr als 300 Veröffentlichungen zu allen Gebieten der Landwirtschaft untermauerte - Kompetenz, sondern förderte auch zahlreiche Talente, die aus kleinen Verhältnissen stammten oder gebrochene Biografien aufwiesen.
Er verstand es, Freiräume zu eröffnen und Forschungsgebiete zu fördern, die noch nicht umfassend anerkannt waren. Nicht zuletzt deshalb wurden viele seiner Schüler auf Lehrstühle berufen, an denen ebenfalls Pionierarbeit geleistet wurde. Sie bauten in ganz Deutschland Institute nach hallischem Vorbild auf, gingen aber nicht selten andere Wege als den von Julius Kühn aufgezeichneten, universalistischen.

 

 

Ehrenbürgerurkunde der Stadt Halle für Julius Kühn
Ehrenbürgerurkunde der Stadt Halle
 

1895 wurde Julius Kühn das Ehrenbürgerrecht der Stadt Halle verliehen. Der Magistrat der Stadt ist im Laufe der Jahrzehnte sehr sparsam mit dieser Ehrung verfahren. Die Ehrenbürgerschaft wurde unter anderem durch die Stadtverordnetenversammlung aus Anlass eines runden Geburtstages, wie bei Prof. Julius Kühn zum 70., beschlossen.

Offensichtlich als Alterssitz erwarb Julius Kühn 1898 das Gut „Lindchen“ bei Spremberg. Hier untersuchte er die Möglichkeiten, auf sehr leichten Sandböden den Anbau von Kulturpflanzen zu verbessern.

Anlässlich der Feierlichkeiten zu seinem 50. Doktorjubiläum am 10. März 1907 definierte Julius Kühn das Ziel seines Wissenschaftslebens: „Meine Aufgabe war ein Ziel, dass vorher nicht ausgesprochen worden ist. Aber die naturwissenschaftliche Forschung ist noch keine Landwirtschaft. Das wahre Ziel ist die größtmögliche Produktion an Nahrungsmitteln und Kleidungsstoffen. So, wie die medizinische Wissenschaft die Erhaltung des Leibes in Kraft und Gesundheit zum praktischen Ziele hat, besitzt unsere Wissenschaft die Pflicht, die Bedürfnisse der Menschheit nach Nahrung und Kleidung zu decken zu versuchen. Die Gesetze der Natur müssen wir anerkennen, die Gesetze der Natur müssen wir anwenden mit möglichster Rente, zur Stofferzeugung. Das höchste wissenschaftliche Ziel ist das praktische Ziel. ... Unsere Aufgabe ist der Nutzen.“  [Saale-Zeitung, 11. März 1907]

Grabanlage der Familie Kühn
Grabanlage der Familie Kühn auf dem Nordfriedhof
 

 

 

1909 wurde Julius Kühn emeritiert. Am 14. April 1910 starb Julius Kühn in Halle (Saale). Die Grabanlage seiner Familie befindet sich auf dem Nordfriedhof der Stadt.
Er hat sich aus einfachen Verhältnissen emporgearbeitet und zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten der deutschen Landwirtschaftswissenschaften entwickelt. Mit seiner Vision - Aufbau eines Landwirtschaftlichen Institutes und dessen Eingliederung in eine Universität - hat er sich ein bleibendes Denkmal geschaffen, das bei seinem Tode nicht nur in voller Blüte stand, sondern bis heute erhalten und ausgebaut werden konnte.

 

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Auszeichnungen und Ehrungen

Die größte Ausstrahlung erreichte Julius Kühn durch sein Schrifttum, so begründete er schon 1892 die „Berichte aus dem physiologischen Laboratorium und der Versuchsanstalt des Landwirtschaftlichen Instituts der Universität Halle“. Bereits im Gründungsjahr des Instituts begann er mit einer zwanglosen Folge von Mitteilungen. Kühn´s Nachfolger F. Wohltmann sorgte dann mit dem Verlag Paul Parey dafür, dass die wissenschaftliche Berichterstattung 1911 unter dem „handlichen“ Titel „Kühn-Archiv“ seine Fortsetzung fand.
Ein Agrarwissenschaftler, der in seinem aktiven Berufsleben so viele Ehrungen entgegengenommen hat, gehört zu den großen Ausnahmen. Staatlicherseits wurde Julius Kühn 1882 Geheimer Regierungsrat, 1892 Geheimer Ober-Regierungsrat und 1903 Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz.
Zu den ihm überreichten Orden gehört der Rote Adlerorden II. Klasse mit Eichenlaub, Kronen-Orden II. Klasse mit dem Stern, der Großherzoglich Sächsische Hausorden der Wachsamkeit oder vom weißen Falken, der Großherzoglich Mecklenburgische Hausorden der Wendischen Krone, der Herzoglich Anhaltinische Hausorden Albrecht des Bären, Ritter I. Klasse, der Königlich Sächsische Albrechtsorden, der K.K. Österreichische Franz-Josef-Orden und der K. Russische St. Stanislausorden mit Stern.

Julius Kühn mit Auszeichnungen
Julius Kühn mit Orden und Ehrenzeichen
 

 

Schon in den Sechzigerjahren wurde ihm die große Liebig-Medaille verliehen sowie die Königlich preußische goldene Medaille für Verdienste um die Landwirtschaft. Hierauf war er besonders stolz.
Zu den akademischen Ehrungen gehören: 1874 Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, 1900 Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Krakau und Ernennung zum „Korrespondierenden Mitglied“, 1880 Landwirtschaftliche Akademie zu Turin, 1898 Akademie der Wissenschaften zu Paris.
Zwischen 1864 und 1905 verliehen 24 landwirtschaftliche Vereine und Gesellschaften Julius Kühn die Ehrenmitgliedschaft, darunter waren sowohl ausländische (Wien, Petersburg, Kiew, Helsingfor) als auch aus den verschiedenen Gebieten Deutschlands. Die entsprechenden Urkunden muss man als kalligrafische Kostbarkeiten bezeichnen.

In Würdigung der Gelehrtenpersönlichkeit Prof. Dr. Dr. h. c. Julius Kühn sind mehrere Auszeichnungsarten mit dem Namen Julius Kühn versehen worden.
So hat der Preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung einen Julius-Kühn-Gedächtnis-Preis gestiftet. Er bestand aus einer kleinen Plakette und einer Geldsumme. Auf Vorschlag der Naturwissenschaftlichen Fakultät wurde er von 1925-1942 alljährlich für herausragende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Landwirtschaft verliehen. Ab 1980 schufen sich die halleschen Agrarwissenschaftler mit der Julius-Kühn-Medaille eine Möglichkeit, verdienstvolle Mitarbeiter zu ehren. Sie wird bis heute vergeben.
Die Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft vergibt den Julius-Kühn-Preis mit einem Geldpreis seit 1979.

 


Quellen:
  • Wussow, Joachim (2005): Julius Kühn - Ein Leben für die Landwirtschaft. aus: Mathias Tullner - Sachsen-Anhalt Geschichten und Geschichte ISBN 3-937751-08-4, Seite 33,34,36,37,42-43
  • Wikipedia - Die freie Enzyklopädie (30.06.2006): Online im Internet: URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Kühn [Stand:12.07.2006]
  • Internationales Landwirtschafts-Symposium in Halle und Bad Lauchstädt am 31.05.2002 - (idw) Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  • Internationales Landwirtschafts-Symposium in Halle und Bad Lauchstädt am 31.05.2002 - (idw) Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Online im Internet: http://www.uni-protokolle.de [Stand: 12.07.2006]
  • Website Stadt Halle (Saale) (28.07.2006): Online im Internet: URL: http://www.halle.de [28.07.2006]
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