Stellungnahme der Hochschulverbandsgruppe der Martin – Luther – Universität Halle – Wittenberg
zur
Entschließung der Hochschulrektorenkonferenz
"Empfehlung zum Dienst- und Tarif-, Besoldungs- und Vergütungsrecht
sowie zur Personalstruktur in den Hochschulen"
Die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz zur stärker leistungsgerechten
Besoldung der Hochschullehrer geht von einem Basisgrundgehalt ("z.B. in
Höhe der Besoldungsgruppe C3 an Universitäten") unter Wegfall
von Alterszulagen aus, was erstmals in der Bundesrepublik Deutschland eine
staatlich veranlaßte Herabsetzung der festen Bezüge einer großen
Gruppe Beschäftigter in einem Tarifbereich bedeuten würde. Eine
zeitlich befristete Anhebung dieses Grundgehaltes soll nach Kriterien erfolgen,
durch die einerseits die Leistungen in Forschung und Lehre gemessen und
andererseits die Belastungen in der Selbstverwaltung berücksichtigt
werden.
Die Hochschullehrer sind nicht faul
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Hochschullehrer
zu den Berufsgruppen gehören, deren Leistungen bereits jetzt ständig
dem Wettbewerb unterliegen. Das beginnt mit der Auswahl im Berufsverfahren
und setzt sich laufend im Wettbewerb um Drittmittel fort. Zeitlich unbefristete
und angemessene Besoldungszusagen garantieren hierbei die Freiheit der
Wissenschaft. Sie erlauben einem Hochschullehrer, auch unkonventionelle
Ideen, von denen die Wissenschaft lebt, ohne Rücksicht auf seine materiellen
Verhältnisse zu verfolgen. Das gilt auch dann, wenn diese Ideen nicht
den häufig wechselnden Meinungsströmungen folgen und sie dadurch
nicht sofort allgemeine Anerkennung erhalten.
Der Vorschlag führt letztlich zu Gehaltskürzungen, besonders
in den finanzschwachen Ländern
Die Hochschulrektorenkonferenz fordert, die Mittel für die Leistungszulage
den Hochschulen "aufgrund einer mittelfristigen Finanzplanung im Rahmen
des Personalbudgets verläßlich identifizierbar und zusätzlich
zur Verfügung zu stellen". Leider widersprechen die Erfahrungen der
vergangenen Jahre selbst einer kurzfristigen Verläßlichkeit,
zumindest gilt das für die finanzschwachen Bundesländer. Es bedarf
wohl keiner großen Gabe vorauszusagen, daß hier die Kürzungsbestrebungen
der Finanzminister sehr schnell ansetzen werden, zumal kaum ein Rechtsanspruch
aus zeitlich befristeten Zusagen abzuleiten sein wird. Als Beispiel sei
nur die Situation in Sachsen-Anhalt genannt: Die per Gesetz zugesagte "Verstetigung"
des Landeszuschusses für die Universitätsklinika wurde bereits
im folgenden Jahr in Frage gestellt.
Die Vergabe der Leistungszulagen kann nicht gerecht erfolgen
Auch wenn auf dem ersten Blick die Verteilung der Leistungszulagen durch
"Vergabekriterien" plausibel erscheint, wird es um so schwieriger, eine
quantitative Bewertung in die Praxis umzusetzen. Das muß über
Fächergrenzen hinweg und für qualitativ völlig verschiedenartige
Leistungen gelingen. Als Vertreter einer ostdeutschen Hochschule wollen
wir in diesem Zusammenhang auf einen in der DDR gelaufenen "Großversuch"
hinweisen: Seit Beginn der achtziger Jahre sollten durch "Leistungsabhängige
Zuschläge" (LAZ) Forschung und Lehre verbessert werden. Das Ergebnis
war aber keine Verbesserung der Leistungen, statt dessen trat ein regelmäßig
wiederkehrender Streit um die Höhe dieser LAZ ein und – besonders
gravierend – von Jahr zu Jahr wurde der LAZ zu einem zunehmend wissenschaftsfremden
Einflußfaktor in den Universitäten.
Die Übernahme von Funktionen in der Selbstverwaltung sagt nichts
über deren Qualität aus
Bei einer Verteilung von Zulagen ist die Berücksichtigung von Funktionen
ebenso problema-tisch wie eine quantitative Beurteilung einer Leistung,
zumal die Funktion selbst noch nichts über Belastung, Leistung und
Erfolg in dieser Funktion aussagt. Es ist eher zu befürchten, daß
sich für die Selbstverwaltung engagierende Kolleginnen und Kollegen
dem Vorwurf aussetzen, das jeweilige Amt aus materiellen Gründen anzustreben.
Der qualifizierte Nachwuchs strebt bei solchen Bedingungen keine Hochschullaufbahn
an
Die insgesamt mit den Vorschlägen der Hochschulrektorenkonferenz
zu erwartenden Ver-schlechterungen der Situation der Professorinnen und
Professoren verringert die Attraktivität dieses Berufsstandes und
läßt befürchten, daß mehr als bereits bisher sehr
gut qualifizierter Nachwuchs eine Tätigkeit außerhalb der Hochschulen
anstrebt.
Ein zunehmender Hochschulwechsel der Professoren belastet zusätzlich
den Universitätshaushalt, ohne die Leistungsfähigkeit zu verbessern
Die Verbesserung der Bezüge der Professoren soll zunehmend auf
dem Wege von Bleibe- und Berufungsverhandlungen erfolgen, d.h. ein
zukünftiger Hochschullehrer wird "gezwungen", sich in viele Berufungsverfahren
einzubringen. Die Folge sind aus Sicht der Universität immer wieder
Neuberufungen, die speziell in den Naturwissenschaften Berufungsmittel
der Universitäten voraussetzen. Erfahrungsgemäß vergehen
nach einer Berufung zwei bis drei Jahre bis die neue Arbeitsgruppe aufgebaut
ist und die volle Leistungsfähigkeit erreicht wird. Wenn aber zukünftig
Berufungen alle 3 bis 5 Jahre zur Regel würden, hieße das letztlich
einen Leistungsverlust bei steigendem Finanzbedarf in den sächlichen
Haushaltstiteln der Universitäten.
Die Hochschulverbandsgruppe der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
drückt mit dieser Stellungnahme ihre Besorgnis aus, daß mit
den Vorschlägen der Hochschul-rektorenkonferenz weder ein praktikables
Wettbewerbsinstrument gefunden wurde noch eine Qualitätssteigerung
erreicht werden kann, vielmehr aber die wissenschaftliche Unabhängigkeit
der Hochschullehrer und –lehrerinnen beeinträchtigt und Kürzungen
des Personalbudgets der Hochschulen zu Lasten dieser Berufsgruppe erleichtert
werden. Das kann weder im Sinne der Verbesserung der Rahmenbedingungen
für Wissenschaft und Bildung noch im Interesse der Hochschulen selbst
sein.
Prof. Dr. Ulrich Cobet
Vorsitzender der Hochschulverbandsgruppe
Nicole Teichert, 21. April 1999
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