"Ein Plädoyer für Grenzlinien"(MZ-Artikel vom 29. Dezember 1999 zur Hochschulstruktur in Sachsen-Anhalt)
In einer öffentlichen Stellungnahme der Magdeburger Universität
war kürzlich zu lesen, dass die beiden Universitäten Halle und
Magdeburg "am meisten profitieren, wenn sie eng miteinander kooperieren,
statt sich öffentlich zu attackieren". Das ist richtig. Es gilt auch
für die anderen Hochschulen im Lande.
Kultusminister Dr. Gerd Harms hat in einem MZ-Gespräch am Jahresende
seine Absicht bekundet, die Hochschullandschaft Sachsen-Anhalts noch in
diesem Frühjahr neu ordnen zu wollen - in Zusammenarbeit mit den Hochschulen.
Angesichts der beängstigenden Unterfinanzierung der Hochschulhaushalte
im Jahr 2000 ist das mehr als überfällig. Allein der halleschen
Universität werden in diesem Jahr, auch nach der geringfügigen
Nachbesserung durch den Landtag, noch immer rund 8 Millionen DM für
Sachkosten (Lehr- und Lernmittel, wissenschaftliche Literatur, Apparaturen,
allgemeine Betriebskosten usw.) fehlen, eine Kürzung um ca. 20 %.
Das kann so nicht weiter gehen!
Für die Fachhochschulen und die Burg Giebichenstein hat das Parlament
für die kommenden drei Jahre einen gesicherten, wenn auch kargen Planungs-
und Finanzrahmen beschlossen. Die beiden Universitäten - immerhin
die größten Arbeitgeber im Lande und für über 20.000
Studierende verantwortlich - schweben dagegen weiterhin im Ungewissen.
Sie sind deshalb in besonderem Maße darauf angewiesen, dass die von
Minister Harms angekündigte Konsolidierung der Hochschulstruktur gelingt.
Sie kann aber nur gelingen, wenn es zu einer vernunft- und sachbezogenen
Zusammenarbeit aller Beteiligten kommt.
Die unabdingbare Erfolgsvoraussetzung dafür ist, daß allen
direkten Rivalitäten zwischen den beiden Universitäten (und Städten
...) ein Riegel vorgeschoben wird. Kooperation kann nicht heissen, dass
die eine Seite dabei auf Kosten der anderen Landgewinne erzielen möchte.
Deshalb müssen unverzüglich und für einen Zeitraum von mehreren
Jahren die Proportionen zwischen der Martin-Luther-Universität, der
einzigen Volluniversität im Land, und der kleineren Otto-von-Guericke-Universität
festgeschrieben werden. Die Berechnungsgrundlage muss die tatsächliche
Entwicklung der letzten Jahre sein. Damals sind, nach Überwindung
der Turbulenzen der Nachwendezeit, die heute vorhandenen Konturen entstanden.
Vergleicht man in diesem Sinne die jährlichen Haushalte der beiden
Universitäten seit 1995, so ergibt sich für die Universität
Magdeburg ein durchschnittlicher Anteil von etwa 35 %, für die Universität
Halle von 65 % des gemeinsam verfügbaren Finanzkuchens, bei nur sehr
geringen jährlichen Schwankungen. (Die Hochschulmedizin, die durch
ein eigenes Gesetz geregelt ist, bleibt dabei außer Betracht, ebenso
der Hochschulbau). Das heißt, die Strukturen der beiden Universitäten
haben sich in den letzten Jahren auf ein Verhältnis von 35 : 65 eingepegelt.
Auch die aktuellen Studentenzahlen verteilen sich zwischen Magdeburg und
Halle im Verhältnis 35 : 65.
Um auszuschliessen, dass die beiden Landesuniversitäten sich bei
dem jetzt anstehenden Konsolidierungsprozess öffentlich (oder auch
hinterrücks) attackieren, anstatt zu kooperieren und Kräfte zu
konzentrieren, muss das 35 : 65 - Verhältnis zwischen ihnen für
einige Jahre für sakrosankt erklärt werden. Das ist die erste
Priorität. Diese finanzielle Grenzlinie, die jeder Seite ihren eigenen
Budgetanteil garantiert, ermöglicht erst einen "geregelten Grenzverkehr"
zwischen ihnen, der auch einen "Gebietsaustausch zu beiderseitigem Vorteil"
nicht ausschließt. Außerdem sind feststehende Budgetanteile
die Voraussetzung dafür, dass jede Universität selbst interne
Umstrukturierungen vornehmen kann, ohne sofortige Haushaltskürzungen
befürchten zu müssen.
Als zweite Priorität müssen dann die Haushaltsanteile zwischen
den beiden Universitäten und den anderen, bereits budgetierten staatlichen
Hochschulen (Fachhochschulen und Hochschule für Kunst und Design)
festgelegt werden. Die Universitäten sind, neben ihren regulären
Lehraufgaben, besonders für die Grundlagenforschung, die Ausbildung
des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Fächervielfalt im Lande
verantwortlich. Berechnet man auch hier den Durchschnitt der Haushaltsjahre
seit 1995, so ergibt sich ein Größenverhältnis von 70 :
30 zwischen den Universitäten und den anderen Hochschulen. Auch hier
ist eine klare und mittelfristig verlässliche Festlegung notwendig,
um allen Hochschulen in Sachsen-Anhalt einen realistischen Planungsrahmen
zu geben.
Der, logisch gesehen, dritte Schritt im Prozeß der strukturellen
Konsolidierung der Hochschullandschaft ist dann die Frage nach der Größe
des aufzuteilenden "Kuchens", also: nach den Finanzmitteln, die das Land
für seine Hochschulen zur Verfügung stellen will (und kann).
Hier, wo es um konkrete Beträge geht, wird die Auseinandersetzung
sicher hart werden. Aber nur wenn die ersten beiden Schritte bewältigt
sind, besteht die Chance, dass kein Kampf aller gegen alle ausbricht.
Ich denke, das sind die notwendigen Voraussetzungen, die erfüllt
werden müssen, wenn die Idee der Kooperation zwischen Magdeburg und
Halle kein frommer Wunsch bleiben soll. Weil aber die Landesregierung
und die Universitäten geradezu zum Erfolg verdammt sind, bin ich zuversichtlich.
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