Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 10/1998 vom 10.03.1998

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat das folgende Gesetz beschlossen, das hermit nach Gegenzeichnung ausgefertigt wird und zu verkünden ist:

Gesetz
zur Freistellung von der Arbeit für Maßnahmen der Weiterbildung
(Bildungsfreistellungsgesetz).

Vom 4. März 1998

§ 1
Grundsätze

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung in gemäß § 8 anerkannten Bildungsveranstaltungen.

(2) Als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte und Auszubildende, deren Arbeitsstätte im Land Sachsen-Anhalt liegt oder deren Arbeitgeberin oder Arbeitgeber ihren bzw. seinen Betriebssitz im Land Sachsen-Anhalt hat, sowie die in Heimarbeit Beschäftigten samt der ihnen gleichgestellten Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als beschäftigte Personen anzusehen sind. Für Arbeitslose gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechend.

§ 2
Bildungsfreistellungsanspruch

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung von fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr. Der Anspruch von zwei Kalenderjahren kann zusammengefaßt werden.

(2) Freistellung wird nur für anerkannte Bildungsveranstaltungen gewährt, die in der Regel mehrtägig oder als Tagesveranstaltungen im Rahmen einer Veranstaltungsreihe stattfinden.

(3) Wird regelmäßig an mehr oder weniger als fünf Tagen in der Woche gearbeitet, so erhöht sich oder verringert sich der Anspruch entsprechend.

(4) Eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer erwirbt den Anspruch nach sechsmonatigem Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses mit Wirkung vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses.

(5) Der Anspruch auf Freistellung zum Zwecke der Weiterbildung wird durch einen Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses nicht berührt. Bei einem Wechsel innerhalb des Zweijahreszeitraumes wird eine bereits erfolgte Freistellung auf den Anspruch gegenüber der neuen Arbeitgeberin oder dem neuen Arbeitgeber angerechnet.

(6) Ein nicht ausgeschöpfter Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung des vorangegangenen Kalenderjahres kann noch im laufenden Kalenderjahr geltend gemacht werden.

(7) Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf Verlangen eine Bescheinigung darüber auszustellen, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung nach diesem Gesetz gewährt worden ist.

(8) Erkrankt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer während der Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf die Bildungsfreistellung nach diesem Gesetz nicht angerechnet.

§ 3
Verhältnis zu anderen Regelungen

(1) Freistellungen zur Teilnahme an Bildungsveranstaltungen, die auf anderen Gesetzen, tarifvertraglichen Vereinbarungen, betrieblichen Vereinbarungen, Dienstvereinbarungen und Einzelverträgen beruhen, können auf den Freistellungsanspruch nach diesem Gesetz nur dann angerechnet werden, wenn sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer uneingeschränkt die Erreichung des in § 1 niedergelegten Zweckes ermöglichen und wenn in den betreffenden Gesetzen, Vereinbarungen oder Verträgen die Anrechenbarkeit ausdrücklich vorgesehen ist. Haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Schulen oder Hochschulen ihren Erholungsurlaub in der unterrichtsfreien oder vorlesungsfreien Zeit zu nehmen, so gilt das auch für die Bildungsfreistellung.

(2) Gesetze, tarifvertragliche Vereinbarungen, betriebliche Vereinbarungen, Dienstvereinbarungen und Einzelverträge mit günstigeren Festlegungen bleiben unberührt.

§ 4
Verfahren der Bildungsfreistellung

(1) Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung ist bei der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber so früh wie möglich, in der Regel mindestens sechs Wochen vor Beginn der Veranstaltung, schriftlich geltend zu machen. Der Nachweis über die Anerkennung der Veranstaltung, der Informationen über Inhalt, Zeitraum und durchführende Einrichtung einschließt, ist beizufügen.

(2) Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber darf die Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung zu dem von der Arbeitnehmerin oder vom Arbeitnehmer mitgeteilten Zeitpunkt nur ablehnen, wenn zwingende betriebliche oder dienstliche Belange oder genehmigte Urlaubsanträge anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entgegenstehen. Die Ablehnung ist der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer unverzüglich, in der Regel drei Wochen, aber mindestens drei Arbeitstage vor Beginn der Bildungsveranstaltung, unter Darlegung der Gründe schriftlich mitzuteilen.

(3) Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber kann die Bildungsfreistellung ablehnen, sobald die Gesamtzahl der Arbeitstage, die im laufenden Kalenderjahr für Bildungsfreistellungen nach diesem Gesetz in Anspruch genommen worden sind, die Zahl der am 30. April des laufenden Jahres Beschäftigten erreicht hat. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit unter fünf Beschäftigten am 30. April des Jahres brauchen keine Bildungsfreistellung nach diesem Gesetz im laufenden Jahr zu gewähren.

(4) Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer hat der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme nachzuweisen. Die für den Nachweis erforderliche Bescheinigung ist vom Träger der Bildungsveranstaltung kostenlos auszustellen.

§ 5
Entgeltfortzahlung

Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung wird von der Arbeitgeberin oder vom Arbeitgeber ohne Minderung des Arbeitsentgelts gewährt. Für die Bemessung des Arbeitsentgelts gelten die tarifvertraglichen oder gesetzlichen Regelungen für den Erholungsurlaub entsprechend. Weitere Ansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden gegenüber den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern nicht begründet.

§ 6
Verbot der Erwerbstätigkeit

Während der Weiterbildung darf keine dem Freistellungszweck widersprechende Erwerbstätigkeit ausgeübt werden.

§ 7
Benachteiligungsverbot

(1) Von §§ 4 bis 6 darf zugunsten einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers abgewichen werden.

(2) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nicht deshalb benachteiligt werden, weil sie eine Freistellung in Anspruch nehmen.

§ 8
Anerkennung von Bildungsveranstaltungen

(1) Die Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung erfolgt nur für anerkannte Veranstaltungen. Anerkennungsfähig sind Bildungsveranstaltungen, die sich thematisch mit den gegenwärtigen und zukunftsbezogenen Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitswelt und ihren gesellschaftlichen Auswirkungen befassen und von Einrichtungen der Weiterbildung oder Trägern von Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt werden.

(2) Die Anerkennung von Bildungsveranstaltungen erfolgt durch das Kultusministerium. Der Antrag auf Anerkennung einer Bildungsveranstaltung ist von der Bildungseinrichtung vor Veranstaltungsbeginn schriftlich bei der zuständigen Behörde einzureichen.

(3) In grundsätzlichen Fragen der Anerkennung werden Vertretungen der Spitzenorganisationen der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften, der Kammern sowie der Landesausschuß für Erwachsenenbildung beteiligt.

(4) Das Kultusministerium legt die Kriterien der Anerkennungsvoraussetzungen und das Anerkennungsverfahren sowie das Verfahren der Beteiligung zu grundsätzlichen Fragen durch Rechtsverordnung fest.

§ 9
Berichtspflicht

Das Kultusministerium legt dem Landtag aller zwei Jahre, erstmalig zum 30. Juni 2000 einen Bericht über Inhalte, Formen, Dauer und Teilnahmestrukturen vor. Die beteiligten Einrichtungen der Weiterbildung oder Träger anerkannter Bildungsveranstaltungen sind verpflichtet, der anerkennenden Behörde Auskunft über Gegenstand, Verlauf und teilnehmende Personen der anerkannten Veranstaltungen in geeigneter Form zu erteilen.

§ 10
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt zum 1. Januar 1998 in Kraft.

Magdeburg, den 4. März 1998